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11Nikolai Wladimirovich Timoféeff-Ressovsky

07.09.jul./20.09.greg. 1900 in der Provinz Kaluga, Russland – 28.03.1981 in Obninsk, Russland
und Elena Aleksandrovna Timoféeff-Ressovska, 08.06.jul./21.06.greg. 1898 in Moskau, Russland – 29.04.1973 in Obninsk, Russland

Büste Nikolai Wladimirovich Timoféeff-Ressovsky

Nikolai und Elena Timoféeff-Ressovsky waren Biologen und Genetiker. Sie veröffentlichten gemeinsam zu Mutationen und Genetik bei Drosophila und später zu Strahlenschäden und Radiobiologie bei Menschen.

Nikolai W. Timoféeff-Ressovsky wurde durch seine Arbeiten über die Erzeugung von Veränderungen im Erbmaterial weltweit bekannt. Zusammen mit Max Delbrück und Karl Günther Zimmer lieferte er die bis heute gültige Definition eines Gens. Elena Timoféeff-Ressovska stand in der öffentlichen Wahrnehmung im Schatten ihres berühmten Mannes, gilt jedoch in der Fachwelt als ebenso herausragende Genetikerin wie er.

Nikolai und Elena Timoféeff-Ressovsky studierten zwischen 1917 und 1923 an der Universität Moskau Biologie. Dort lernten sie sich kennen und heirateten im Jahr 1922. An der Universität Moskau begannen beide auch ihre Arbeit über Mutationen bei der Taufliege Drosophila, wodurch Oskar Vogt auf sie aufmerksam wurde. Dieser erhielt 1925 die Zustimmung der sowjetischen Regierung, die Eheleute an sein Institut für Hirnforschung in Berlin zu holen, damals noch in der Magdeburger Straße. Dort baute Nikolai W. Timoféeff-Ressovsky eine Abteilung für Genetik auf und arbeitete gemeinsam mit Elena darüber, wie Umweltfaktoren die Erbanlagen beeinflussen. 1928 berichtete Nikolai W. Timoféef-Ressowsky, dass er durch Bestrahlungen befruchteter Eier und Larven Fliegen mit mutierten Körperteilen erzeugen konnte. 1931 wurde er Leiter der Abteilung für experimentelle Genetik im neu erbauten Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Hirnforschung in Berlin-Buch. In dieser Einrichtung waren die Arbeitsbedingungen für Frauen für die Verhältnisse der damaligen Zeit sehr günstig. Neben Elena Timoféeff-Ressovska, Cécile Vogt und deren Töchtern Marguerite und Marthe arbeiteten noch weitere Frauen am KWI. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste Elena Timoféeff-Ressovska ihre Tätigkeit offiziell einstellen, arbeitete jedoch weiter im Labor ihres Mannes. Nikolai blieb am KWI in Berlin-Buch, bis er 1945 verhaftet und in die Sowjetunion verschleppt wurde. Elena arbeitete noch bis 1947 als Assistentin am Zoologischen Institut in der Abteilung von Hans Nachtsheim an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Erst danach konnte sie mit ihrem Sohn Andrej (der zweite Sohn Dimitrij wurde kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager Mauthausen ermordet) in den Ural reisen, wo sie ihren Mann wiederfand. Gemeinsam arbeiteten sie in Sungul über Strahlenschäden. Von 1955 bis 1964 forschten beide in Swerdlowsk am Institut für Biologie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in der Abteilung Radiobiologie und Biophysik. Dort habilitierte sich Elena Timoféeff-Ressovska.

Büste vor dem Gebäude

Nikolai W. Timoféeff-Ressovsky erlangte in seiner Zeit in Berlin-Buch durch seine Arbeiten über die Veränderungen im Erbmaterial weltweite Bekanntheit. Er entdeckte, dass Strahlendosis und Mutationsrate direkt miteinander zusammenhängen. Und er entdeckte, dass eine Mutation durch einen einzigen strahlenbedingten Effekt entsteht, also ein sogenanntes „Ein-Treffer-Ereignis“ ist. 1934 publizierte er eine Arbeit, in der er erstmals den Begriff „genetic engineering“ (heute Gentechnologie) verwendete. Wie viel Anteil die Arbeit seiner Frau Elena an seinen Erkenntnissen hatte, lässt sich kaum belegen. Klar ist, dass sie gemeinsam arbeiteten und Elena Timoféeff-Ressovska als ebenso begnadete Genetikerin galt wie ihr Mann Nikolai. Dieser veröffentlichte 1935 zusammen mit Max Delbrück und Karl Günther Zimmer seine Befunde und theoretische Aspekte „Über die Natur der Genmutation und Genstruktur“, die später weltbekannt wurde. Bis dato beschrieb der Begriff „Gen“ ein theoretisches Konstrukt. Ob Gene überhaupt stofflich sind, woraus sie bestehen und wie sie funktionieren, war Gegenstand hitziger Debatten. In ihrer Arbeit entwarfen Nikolai W. Timoféef-Ressowsky und seine Co-Autoren die bis heute gültige Vorstellung, dass Mutationen durch veränderte Moleküle entstehen und dass diese Moleküle Gene sind. Die Definition eines Gens als eine aus Atomen aufgebaute stabile Struktur schuf eine wesentliche Grundlage für die moderne Genetik und Molekularbiologie.

Mehr Information zum Arbeitsplatz von Nikolai Wladimirovich Timoféeff-Ressovsky finden Sie im Rundgang zum Campus-Museum.

Stefan Kaehne, Beton, 2006