direkt zum Inhalt springen

8Lichttor

Volkhard Kempter
2002, Lichtinstallation

Lichttor von innen

Im Foyer des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) fällt ein Bogen aus LED-Leisten auf, der sich über Boden, Wände und Decke zieht. Das „Lichttor“ des Künstlers Volkhard Kempter.

Volkhard Kempter wurde 1961 in Stockach am Bodensee geboren. Er studierte zunächst Philosophie in Konstanz, bevor er Bildende Kunst und Kunsterziehung an der Hochschule der Künste Berlin studierte. Nach einer Zeit als Bühnenbildner am Modernen Theater Berlin folgte 1996 ein Lehrauftrag an der Hochschule der Künste, Berlin sowie danach Lehraufträge am Bauhaus in Dessau, an der Universität der Künste, Berlin und der Fachhochschule Potsdam. Kempter erhielt zahlreiche Stipendien und gewann mehrere Kunst-am-Bau-Wettbewerbe. Er stellte im öffentlichen Raum sowie in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland aus.

Das „Lichttor“ ist eine interaktive Lichtinstallation. Besuchende können es im Eingangsbereich oder über die Treppe durchschreiten. Dabei hinterlassen sie Informationen, die einen intervallartig auftretenden Farbcode erzeugen. Nach zwei Minuten löst sich das Muster in einen einfarbigen Grundzustand auf, der sich wellenartig über das Band bewegt, bis das Signal erneut ausgelöst wird.

Das Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie in Berlin ist die größte pharmakologische Forschungseinrichtung Deutschlands. Hier werden neue Konzepte entwickelt, wie der Organismus pharmakologisch beeinflusst werden kann. Um körpereigene Signale, deren Entstehung und Weiterleitung zu verstehen, nutzen Forschende bildgebende Verfahren, aus denen der Künstler das Grundmotiv für die Arbeit entwickelte.

Lichttor von innen, blau

Das Kunstwerk verweist einerseits auf die Architektur des Gebäudes. Es befindet sich an der Schnittstelle zwischen Innenbereich und dem Bereich großflächiger Verglasung, um die größtmögliche Transparenz der Lichtwirkung nach außen zu erreichen. Die Platzierung der Lichtinstallation an den Säulen verweist auf diese Bauelemente, die sich über die Länge des gesamten Gebäudes ziehen. Ihr Licht verbindet sie in immaterieller Weise mit der Aufgabe des Instituts.

Hierin kann auch ein Bezug auf das Gebäude verstanden werden, in dem die Forschenden Daten generieren, die noch nicht lesbar sind. Erst durch das Wissen verwandeln sich die Daten in „Sichtbares“. Das „Lichttor“ kann somit auch als ein Organismus angesehen werden, der durch Interaktion Muster bildet. Wie alle Organismen ist auch dieser dem Wirken der Zeit unterworfen. Es stellte sich heraus, dass sich der Auslösemechanismus mit den Jahren verschoben hat und die Wahrscheinlichkeit, ein Signal auszulösen mittlerweile sehr gering ist.

Für den Künstler selbst hat das „Lichttor“ die Sicht auf seine Arbeit grundlegend verändert. So zeigte sich bald nach Realisierung, dass die Lebensdauer mancher Bauteile begrenzt ist und die in den Lichtelementen verbauten blauen LEDs ausfielen. Ihm wurde die Anfälligkeit von elektronischen Bauteilen und deren Lebensdauer bewusst. Insofern steht das „Lichttor“ auch für einen Wandel Volkhard Kempters, der seither vermehrt Nachhaltigkeitsthemen sichtbar macht.

Das Kunstwerk wurde mit öffentlichen Mitteln als Kunst am Bau realisiert.

Ein Interview mit Volkhard Kempter finden Sie hier:
 

Mein Name ist Volkhard Kempter. Wir sind hier, weil wir über die Arbeit sprechen wollen, die ich hier vor 20 oder 21 Jahren hergestellt habe und die zu meiner Überraschung immer noch läuft.

Wie kam es zu diesem Werk?
Es gab einen Wettbewerb, der öffentlich ausgeschrieben wurde. Der war zweistufig. Junge Künstler konnten sich bewerben mit ihrer Vita und mit ihren Arbeiten, die sie gemacht haben. Da wurde ich mit ausgewählt. Zwölf Künstler kamen in die nähere Auswahl und die haben sich mit dem Ort hier auseinandergesetzt, mit dem Gebäude und der Funktion, und haben dann Vorschläge erarbeitet. Aus diesen Vorschlägen ist mein Wettbewerbsbeitrag prämiert worden.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein Kunstwerk entwickeln?
Wenn es um Kunst am Bau geht, dann kann ich mein Werk dem Bau nicht einfach überstülpen. Mein Werk besteht zu großen Teilen aus Licht oder aus Glas. Und das interagiert mit den Räumen und auch mit den Bedeutungen, die im Raum vorhanden sind. Hier war die Gelegenheit relativ frühzeitig schon in das Gebäude einzugreifen und Vorschläge machen zu können, weil es zu dem Zeitpunkt ja noch im Rohbau war. Manchmal sind Gebäude ja schon komplett erstellt und dann lassen sich Eingriffe später, die in die Architektur gehen, schwerer realisieren.

Also hat Ihr Lichttor auch die Architektur des Hauses beeinflusst?
Wie man sieht, unten wurde der Boden aufgefräst, damit man dieses Lichtband über die 12 Meter Höhe und über die 3,50 Meter Breite machen kann. Meine Eingriffe hier in die Architektur sind relativ zurückhaltend, aber natürlich beeinflusst jede Lichtkunst immer auch die Architektur eines Hauses.

Welchen Teil der Arbeiten haben Sie gemacht und wobei hatten Sie Hilfe?
Diese Arbeit wurde komplett hergestellt. Ich habe sie konzipiert, dann gab es einen Programmierer für die Elektronik, es gab für die elektronischen Bauteile einen Hersteller und es gab ein Team eines Leuchten-Herstellers in Berlin. Ich habe das Lichtdesign konzipiert, die Abfolgen in dem Lichtband, die Dramaturgie des Lichtbands. Das wurde komplett vorher geschrieben.

Was war die Ausgangsidee für das Lichttor?
Die Idee für die Lichtinstallation habe ich aus der Funktion des Gebäudes abgeleitet.
Sie sollte das spiegeln, was die forschenden Menschen hier tun.
Sie untersuchen das komplizierte Zusammenspiel von Biomolekülen in den Zellen des Körpers, welche Rolle spielen Botenstoffe für welche Signalübertragung.
Die Frage war: wie kann ich diese Motive mit einer Lichtdramaturgie verbinden?
In welcher Weise verändert sich das Lichtband mit den Laufwegen der Menschen?
Es sollten in den Grundfarben bewegte Zustände sein, (die als Grundzustand das Lichtband in Bewegung halten. und je nachdem wie viele Personen das Lichttor in einer bestimmten Zeit durchschreiten, generiert das Lichtband ein Muster. Ein bewegter Zustand wird zu einem statischen Zustand, der allerdings vielfarbig ist. Der Code des Musters wiederum steht in Abhängigkeit zur Anzahl der Personen, die durchgegangen sind. Es gibt manchmal einfache Muster und manchmal komplizierte Muster.

Mir war wichtig, dass es eine Interaktion gibt, welche die Menschen in eine Art Versuchsanordnung stellt und, dass sie mit ihrer Bewegung etwas auslösen. Aber es sollte nicht immer geschehen. Wenn jeder, der da durchgeht, etwas auslöst, dann ist es auch nicht wirklich spannend. Sondern, dass das bestimmten Momenten vorbehalten ist und, dass man dann merkt: "Hoppla, jetzt habe ich was ausgelöst, ich weiß gar nicht was, aber jetzt hat sich was verändert", das ist ein Moment der Irritation und der Überraschung. Ich betrachte nicht nur die Architektur, wenn ich einen Raum untersuche, sondern auch, was in den Räumen passiert, was die Menschen in den Räumen machen und versuche, die Motive mitzunehmen, die dann einen Leitfaden bilden für die künstlerische Arbeit.

Das Lichtband wird zur Grenze einer Membran, das Foyer zu einer Zelle, die durchschreitenden Personen zu Signalboten, und Teil eines bildgebenden Experiments.
Sie werden im übertragenden Sinne ein Teil von dem, was sie untersuchen.

Was hat das Werk mit ihnen gemacht?
Nachdem diese Arbeit entstanden war, hat sich herausgestellt, und zwar schon nach einem Jahr, dass es einen Ausfall von blauen LEDs gibt. Man hat das ganze System ein bisschen reduziert. Für mich war das ein Schock, weil mein Versprechen war, dass das jetzt 20, 25 Jahre funktioniert. LEDs, 20.000 Stunden, kein Problem. Und dann stellte sich heraus, dass die elektronischen Bauteile, neben LEDs auch Widerstände, Kondensatoren, Prozessoren und so weiter, alle eine Ausfallzeit und eine Ausfallrate haben. Wenn man so ein großes Lichtband macht, dann kann es zu Ausfällen kommen. Das war sehr schmerzhaft für mich, weshalb ich dann in meiner späteren Arbeit von komplizierten elektronischen Systemen erst mal abgesehen habe und mich auf Glas und farbiges Glas konzentrierte. Wo ich das Gefühl habe, wenn ich hierzu ein Versprechen gebe, dass das 50, 100 Jahre hält, dann kann ich das auch halten.

Und allgemein? Was verbindet Wissenschaft und Kunst?
Wenn man das beantworten will, kommt man um Einstein kommt man nicht wirklich herum. Ich habe am naturwissenschaftlichen Gymnasium ein Abitur gemacht und bei mir stand es lange auf der Kippe, ob ich nun Kunst machen werde oder ob ich Chemie oder Physik studiere. Dann habe ich mich mit Licht und Einstein und Relativitätstheorie beschäftigt und bin darin versunken, so wie man in Wissenschaft auch versinken kann. Und dann habe ich mich doch für die Kunst entschieden, weil man da dann doch schnellere Ergebnisse hat und leichter produktiv wird, da man es einfach selbst direkt herstellen kann und keine großen Apparate braucht wie das in der heutigen Wissenschaft oft unabdingbar ist. Ganz grundsätzlich haben die Kunst und Wissenschaft ganz ähnliche Grundimpulse. Bei beiden geht es um das Nachdenken über die Welt und den Versuch, Zusammenhänge herzustellen, die die Welt in einem neuen Licht erscheinen lassen. Aber natürlich ist der direkte Wirkungsgrad der Wissenschaft grösser. Wenn man ein Antibiotikum entwickelt, rettet es Leben. Die Kunst beschützt es nur.

Lichttor von draußen, nachts